Kletterführer „Sächsische Schweiz“ 13 Klettergebiete in 6 Bänden

1.134 Gipfel mit 27.000 Kletterrouten
Sächsische Schwierigkeitsskala I bis XII.

Hrsg. Dietmar Heinicke

Format 11,5 x 16 cm, 336 bis 416 S.; Berg- & Naturverlag Rölke 3. Auflage von 2012 bis 2018, je 25,90 € (www.bergverlag-roelke.de)

Sächsische Schweiz – Elbsandsteingebirge – Elbi gilt als Wiege des Freikletterstils, der hier seit über 130 Jahren gepflegt wird. Freies Klettern meint „ohne Verwendung künstlicher Hilfsmittel“, „Fortbewegung…nur mit eigener Körperkraft an natürlichen Haltepunkten“.[Sächsische Kletterregeln] Trotz Liebe zur Tradition ist das Klettern im „Freilichtmuseum“ alles andere als langweilig. Der Verzicht auf Chalk, nichttextile Klemmkeile und -geräte sowie die „übersichtliche“ Absicherung [Laut sächsischer Kletterregeln sind Ringe sind von den Erstbegehern „mit geringster Anzahl und größtmöglichem Ringabstand“ anzubringen.] versprechen Abenteuer pur. Dennoch spinnen die Sachsen nicht (wie Peter Brunnert liebevoll meinte), denn sie wissen, was sie tun aus Jahrzehnten langer Erfahrung und Weitergabe. Ansonsten hätte diese landschafts- und naturverbundene Kletterart gegen Klettergartenambitionen wohl kaum „überlebt“.

Wie können Neulinge anknüpfen? Die umfassendste Orientierungshilfe bietet das Standardwerk „Kletterführer Sächsische Schweiz“. Seit 1965 wird dieser Führer in mehreren Auflagen von Dietmar Heinicke herausgegeben. Er enthält alle 1.134 Klettergipfel sowie alle anerkannten 27.000 Aufstiege zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses. Wie im orangenen Band (Gebiet der Steine, Erzgebirge) nachzulesen ist, besteht nach wie vor ein Recht auf Erstbegehungen. Aber wo ein Recht ist, steht auch eine Pflicht. In den „Sächsischen Kletterregeln“ – erstmals 1910 festgeschrieben – sind die Regeln zur Erstbegehung erläutert. Die „sächsische Gründlichkeit“ beim Aufstellen von Regeln bietet einen interessanten Kontrast oder ist vielleicht einfach nur lebensnotwendig im freien Klettern. Mit einem gewissen Pathos zitiert, führen die zu hyperbolischen Formulierungen neigenden Texte auch gerne zum Schmunzeln. Unterhaltungswert haben auch einige Tagebucheinträge der Erstbegeher aus frühen Zeiten, die den Teil der durchnummerierten Gipfel mit Wegbeschreibungen hin und wieder auflockern. Dem Redaktionsteam aus vielen engagierten Bergsteiger*innen ist es gelungen die Materialfülle durch eine gewachsene Systematik zu bändigen. Ohne Studium der „Hinweise für den Gebrauch des Kletterführers“ im orangen Band könnten die vielschichtigen Informationen aus den enthaltenen Lageplänen, Anstiegsskizzen, Gipfelskizzen und Routenbeschreibungen kaum verstanden werden. Wofür steht „links“ und „rechts“ in Wegbeschreibungen? Was ist an Unterstützungsstellen zu tun? Wie sind die Angaben zu dem Abseilen zu verstehen? Das Gleiche gilt für die „Erläuterung häufig vorkommender Begriffe“. Oder, wer weiß schon was ein „Doppelring“ ist? Unverzichtbar ist das vierseitige Abkürzungsverzeichnis, ohne das die Informationsmenge nicht zu Händeln wäre. Wer bunte Bilder oder „Topos“ sucht, wird enttäuscht sein. Traditionell wird für die Felsskizze die Vogelperspektive verwendet, für ausgewählte Felsen neuerdings auch die Seitenansicht. Alle 6 Bände gleichzeitig zur Verfügung zu haben, ist sinnvoll. Die Entscheidung, in welchem der 13 Klettergebiete die „Tour“ stattfinden soll, ist meist vom Wetter abhängig. Der Elbsandstein hat sehr unterschiedliche „Wetterfühligkeiten“, die mit der geologischen Entstehung zusammenhängen (ebenfalls nachzulesen im orangen Band). Oberstes Ziel ist es schließlich den Fels zu erhalten, Abbrüche zu vermeiden und natürlich selbst nicht zu verunfallen. Und sollte doch mal etwas schief gehen, kann das Verzeichnis der Bergungsboxen mit den Kontaktdaten zur Bergwacht Sachsen im Kletterführer zu Rate gezogen werden.

Das sächsische Klettern ist ein Gesamterlebnis, aus Wandern, Orientierung, Gipfelglück mit Panorama und nochmaliger Konzentration beim Abseilen. Es braucht einige Erfahrung, um den richtigen unter den eng beieinander stehenden Felsen zu finden, die richtige Route am „nackten“ Fels anhand einer ein- bis dreizeiligen Kurzbeschreibung (okay, meist gibt es noch eine Skizze) zu identifizieren, Sicherungen mittels Knotenschlingen selbst zu legen und zu erkennen, ob der geordnete Rückzug oder die Flucht nach vorn erfolgversprechender ist. Das alles kann der Kletterführer nicht garantieren, er liefert lediglich kompakte Informationen. Daher ist es allen Gebietsneulingen unbedingt zu empfehlen, sich erfahrenen sächsischen Kletterer*innen anzuschließen, bevor eigene Gehversuche unternommen werden.

Ausleihbar bei der DAV-Bücherei unter den Katalognummern 8° 2020 bis 8° 2025.

Ulrike Codina Koch