Vier Tage Brockenblick in voller Pracht. Soviel Brockenansichten gibt es selten, verschleiert sich der Berg sonst 304 Tage des Jahres im Nebel. Wer kann, sollte den Brocken mindestens einmal im Leben erwandern.
Mit obligatorischer Mund-Nase-Abdeckung brachten uns mehrere Anschlusszüge am 29.7. nach Thale zum Startpunkt des Hexenstiegs. Nach 150.000 Schritten oder rund 100 km, sie vergingen wie im Flug, erreichten wir am 2.8. Osterrode.
Astrid Volland und Sybille Weißenfeld haben die Tour sehr schön vorbereitet. Gepflegt übernachtet wurde in den Jugendherbergen Thale und Schierke. Komfortabler residierten wir in der Harzbaude Susanne in Rübeland sowie im Hotel zur Schmiede in Altenau. Solide Herbergen mit reichlich Essen, passable Hotels sowie eine feine Einkehr bilden eine angenehme Abwechslung für mitten im Leben stehende Bergvagabunden. Beim Frühstück jedoch raste der Uhrzeiger; die meisten waren bereits gestiefelt, während andere anschließend durch Morgentoilette und Garderobe flitzten, um den Abmarschtermin leider doch noch ein wenig hinauszuzögern.
Eindrucksvoll ist das Bodetal, die wilde Bode in eng eingeschnittener Granitfelsenschlucht bzw. Blockschutthängen, bewachsen mit Linden-, Eichen- und Ahornwäldern.
Brockentypisch erlebt der Harzbesucher die unermüdliche Brockenbahn. Das Dampfzüglein schnaubt zwischen Drei-Annen-Hohne und der Brockenspitze mehrere Male entlang unseres Weges.
Bizarr zeigt sich die Brockenerhebung von Schierke bis Torfhaus. Erschreckend ist derzeit der tote Fichtenwald mit seinen mahnenden braunen bis silbernen Baum-Skeletten. Doch bereits wachsen neue Fichten durch das tote Gehölz, bilden sie doch in der Höhenlage die potenzielle natürliche Waldvegetation.
Viele herkömmliche Waldwege sind im Totholz des Nationalparks nicht mehr zugänglich, so dass nur noch wenige Varianten, wie neu angelegte Bachbettwege oder die nahezu autofreie Fahrstraße im Nationalpark, begehbar sind. Bei bestem Wetter trifft man zahllose Brockenerkunder auf den Gipfelwegen.
Für alle überraschend waren die Wasser-Wander-Wege, die Dammgräben von Torfhaus bis Altenau sowie zahlreiche ebenfalls für den damaligen Bergbau angelegten Teiche.
Jeder hatte Spaß: Bei einer Gruppe blühte kindische Freude auf, wenn ein grünes Stempelkästchen das Nummernbüchlein füllte. Zur Harzer Wanderkaiserkrönung braucht es sehr viele Wege für 220 Nachweise, doch die Hexenstiegnadel ist mit mehr als einem Dutzend Blausiegeln zügig erkämpft. Manche Wanderer sehnten sich nach einer Erfrischung im Wasser, sogar eine Wasserschlacht benetzt das heißgetragene Hemd. Ganz unermüdliche strebten noch in die Höhe zum Schauspiel des Sonnenuntergangs.
Den größten Genuss bildeten die Begegnungen. In zahlreichen Geschichten lichtet sich die Persönlichkeit; eine herzerwärmende Originalität verhilft zum Staunen, Nachdenken, Schmunzeln und Lachen. So entstehen die besten Brocken im Leben.
Roland Hasenstab
Hinterlasse einen Kommentar